Neue Studie: Darunter leiden Lehrer in NRW besonders
Matthias Korfmann, WAZ
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Lehrerinnen und Lehrer in NRW sind zwar meist zufrieden mit ihrer Berufswahl, verzweifeln aber häufig an den täglichen Arbeitsbedingungen.
In Schulen in sozial problematischen Stadtteilen sei der Stress besonders groß, so die GEW
„Herausfordernde Schülerinnen und Schüler, praxisferne bildungspolitische Neuerungen und zu viel Bürokratie trüben das Bild“, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ayla Celik, am Montag bei der Vorstellung der GEW-Umfrage „Psychische Gesundheit an Schulen in NRW“.
Eines der Ergebnisse des ersten „Frühjahrsreports“ der GEW in NRW lautet: Besonders in Schulen in „schwieriger sozialer Lage“ fehlten den Lehrkräften Zeit, Räume und Personal, um sich um Kinder, die besonders intensiv unterstützt werden müssten, kümmern zu können. Der schon vorhandene „Sozialindex“ müsse daher dringend gestärkt werden, so Celik.
Warum werden in Grundschulen Förderstunden gestrichen?
Verwaltungsaufgaben wie das Organisieren von Klassenfahrten, die Dokumentation von Gesprächen und die Aktualisierung von Computern belasteten die Psyche des Schul-Personals ebenso wie die vielen „bildungspolitischen Neuerungen“.
„In der Ausbildungsordnung für Grundschulen sind zum Beispiel die Förderstunden gestrichen worden. Das empfinden die Kolleginnen und Kollegen in den Grundschulen als wahnsinnig belastend, denn diese Förderstunden waren für sie das einzige Mittel, um Schulkinder mit besonderen Bedarfen individuell zu fördern“, erklärte Celik.
„Künstliche Intelligenz kann ich Schulen keine Menschen ersetzen“
Ein weiteres Beispiel sei die Möglichkeit, Künstliche Intelligenz für die Schule zu nutzen. „Technischer Fortschritt ist gut, aber KI kann keine pädagogischen Gespräche führen, hilft nicht bei der Beratung von Eltern. Dafür braucht es Menschen im System Schule, in die fehlten in praktisch allen Schulformen. Laut Prof. Christian Reintjes von der Universität Osnabrück werde der schlechte bauliche Zustand vieler Schulen von Lehrkräften, Schulleitungen und anderen Beschäftigten an Schulen als sehr belastend empfunden. Die Gewerkschaft GEW fordert neben dem „Aufstocken“ des Sozialindex‘ insgesamt mehr personelle Ressourcen an den Schulen, mehr Gesundheitsförderung und weniger Bürokratie.
Zahl der Kündigungen als Indikator für zunehmende Unzufriedenheit
Seit 2022 hätten in NRW fast 2500 Lehrkräfte ihren Beruf verlassen, darunter fast 900 Beamtinnen und Beamte. „Wer verbeamtet ist und trotzdem kündigt, tut das nicht leichtfertig. Das ist kein individuelles Problem, das ist ein systemischer Notruf“, warnte Ayla Celik.
Schulministerin Dorothee Feller (CDU): „Wir entlasten Lehrkräfte ganz konkret in ihrem Alltag“
„Lehrkräfte brennen für ihren Beruf“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) nach der Vorstellung der GEW-Umfrage. Das Land mache den Pädagoginnen und Pädagogen heute schon viele Angebote für mehr Arbeitszufriedenheit, zum Beispiel ein Beratungstelefon für psychosoziale Themen sowie Entspannungs-, Resilienz- und Achtsamkeitskurse.
„Wir entlasten Lehrkräfte aber auch ganz konkret in ihrem Alltag, etwa mit über 1.700 Alltagshelferinnen und Alltagshelfern, mit weniger Klassenarbeiten oder der Streichung von umfangreichen Arbeitsplänen an Grundschulen zugunsten schmaler schuleigener Unterrichtsvorgaben“, so Feller. Mit einem schulscharfen Sozialindex und dem Startchancen-Programm würden Schulen schon gezielt gestärkt. Außerdem seien heute insgesamt 7400 Menschen mehr an den NRW-Schulen tätig als im Dezember 2022.
Opposition alarmiert: „Zu viele ausgebrannte Lehrkräfte“
Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, nannte die Lehrkräfte „wahre Helden unseres Bildungssystems“. „Die Arbeit mit und für die Schülerinnen und Schüler motiviert Lehrkräfte im ganzen Land dazu, über das Zumutbare hinaus alles zu geben. Genau hierin liegt aber das Problem: Immer mehr Lehrkräfte müssen Mehrarbeit leisten, um ihren Job gewissenhaft erfüllen zu können. Das führt am Ende zu einer massiven Überlastung“, schrieb Engin in einer Mitteilung. Der Lehrkräftemangel sei die größte Herausforderung in der NRW-Schulpolitik.
Franziska Müller-Rech, Schul-Expertin der FDP im Landtag, sagte nach der Veröffentlichung der Umfrage: „Die Situation an unseren Schulen ist dramatisch, und sie spitzt sich von Jahr zu Jahr weiter zu: Immer mehr Lehrkräfte, die mit großem Engagement gestartet sind, fühlen sich ausgebrannt oder denken ernsthaft über einen Berufswechsel nach.“ Die Befunde des Frühjahrsreports zeigen deutlich, wie viel Handlungsdruck auf der Landesregierung laste – und wie wenig sie diesem Druck bislang begegne. Die Liberalen fordern daher kleinere Klassen, mehr Digitalisierung, weniger Verwaltungsaufgaben für Pädagogen und „Schulbudgets“ zur Stärkung der Schulen.